Nike Möhle, Vice President Corporate Communications & Corporate Responsibility bei Sonova, spricht im Interview über die Herausforderungen der globalen Kommunikation und darüber, was sie vom diesjährigen Fokusthema „Zeit“ erwartet.
Frau Möhle, auf dem diesjährigen Kommunikationskongress werden Sie über das Thema globale Unternehmenskommunikation referieren. Für wen ist das Thema relevant – und warum?
Auf der einen Seite gibt es ja die ganz großen Player – die Brands, die durch und durch global agieren. Denken Sie beispielsweise an Coca Cola. Andererseits gibt es natürlich viele Unternehmen aus verschiedenen Sparten, die ebenfalls schnell international agieren, sei es aufgrund der Supply Chain, Standorten in anderen Ländern oder der globalen Kundenbasis. Einen internationalen Kommunikationsansatz braucht daher eigentlich jedes Unternehmen.
Sich in seiner Region einzugrenzen, Kommunikation ausschließlich national zu betrachten – aus meiner Sicht können sich das heutzutage die wenigsten Firmen leisten. Es stellt sich also die Frage: Wie verschafft man sich in einem globalen Wirtschaftsraum, im Kampf um Aufmerksamkeit, Gehör? Worauf fokussiert man sich, wie priorisiert man, und was bedeutet das für die Arbeitsweise der Unternehmenskommunikation?
Welche Faktoren sind dabei wichtig?
Je größer die Firma ist, desto eher läuft die Unternehmenskommunikation Gefahr, vor allem zu harmonisieren, Richtlinien vorzugeben und den gemeinsamen inhaltlichen Nenner zu suchen, der für alle passt. Aus meiner Sicht ist das gerade in der Kommunikation nur bedingt zielführend. Sie ist schließlich stark an geografische, kulturelle Eigenheiten und Identitäten gekoppelt und funktioniert daher überall anders. In großen Firmen läuft man schnell Gefahr, dem nicht gerecht zu werden, wenn Kommunikation zu zentralisiert gedacht wird und weit von den Ländern und Business-Bereichen entfernt ist.
Außerdem ist nach wie vor die Meinung verbreitet, solange alles digital verfügbar ist, bestenfalls auf Englisch, kommuniziere man international. Aber Kommunikation ist ja letztlich immer ein gemeinsam geschaffenes Konstrukt – der dialogische Austausch ist in der internationalen Kommunikation nochmal deutlich herausfordernder.
Und nicht zuletzt heißt global ja grundsätzlich mal: 24 Stunden Wirtschaftswelt. Wie arbeitet man in diesem Kontext sowohl strategisch als auch pragmatisch? Wie wird man den Zeitzonen und Informationszyklen gerecht? Auch damit muss man sich in der internationalen Kommunikation auseinandersetzen.
Was heiβt das für internationale Kommunikationsteams?
Man muss eine solide Balance finden. Wie viel Kommunikation sollte zentral sein, wie viel dezentral – bei zugleich bewältigbarem Koordinationsaufwand? Schließlich will man auch Informationen im Unternehmen verbreiten, Strategien vermitteln. Wie schafft man es, trotzdem nah an den verschiedenen Regionen zu sein, ein Verständnis dafür zu entwickeln, was dort passiert? Meiner Ansicht nach hat das sehr viel mit dem Setup und der Zusammenarbeit der Kommunikatoren im Unternehmen zu tun – wie arbeiten sie, wie sind sie vernetzt, wie nah sind sie am Business, wie international ist das Team als solches?
Auβerdem muss das Team die weit verbreitete „Push“-Mentalität überwinden: Oft werden nur wenige Inhalte aufgenommen, jedoch zugleich in regionale Umfelder hinein kommuniziert, ohne sich dort auszukennen. Kommunikation ist aber erst dann erfolgreich, wenn sich Sender und Empfänger zumindest annähernd auf eine Botschaft einigen können – und bestenfalls auch fließend ihre Rollen wechseln.
Welche Rolle spielen die sozialen Medien beim Gelingen der globalen Unternehmenskommunikation?
Sie spielen eine sehr große Rolle, beispielsweise auch in der internen Kommunikation im internationalen Konzern. Im Unternehmen hinkt man in dieser Beziehung oft der privaten Erlebniswelt hinterher. Diese ist zum Beispiel extrem von Videos und Bildsprache geprägt, während im Unternehmen vieles noch sehr textbasiert ist. Hier befindet sich die Branche noch in einem Veränderungsprozess.
Was ich damit sagen will: Digitale Medien müssen entsprechend ihres Potentials genutzt werden – auch in der internationalen Kommunikation. Sie bieten eine riesige Chance dafür, dass verschiedene Identitäten und Kulturen stattfinden, verschiedene Facetten und Tätigkeitsfelder des Unternehmens sichtbar werden. Aber auch hier darf man jedoch nicht einfach einen Prozess, den man vorher hatte, durch einen digitalen substituieren. Man muss das von Grund auf neu konzipieren, sich überlegen, welche Möglichkeiten es gibt, und welche Ziele man erreichen möchte. Allein mit der Nutzung digitaler Medien ist es nicht getan.
Das Fokusthema des diesjährigen Kommunikationskongresses ist „Zeit“. Was verbinden Sie damit?
Zunächst einmal den Kampf um die Zeit der Rezipienten. Bei der Flut von Informationen und Inhalten um uns herum geht es ja immer mehr darum, überhaupt in den Fokus der Zielgruppe zu kommen. Man sagt ja auch „Content is king, but attention is queen“. Entscheidend ist, die Aufmerksamkeit der Menschen zu erregen.
Für Kommunikatoren selbst ist Zeit im Sinn von Geschwindigkeit ebenfalls ein wichtiges Thema. In immer kürzeren Zeitspannen wandeln sich immer mehr Aspekte der Unternehmenswelt und des Umfelds – ständige Transformation sozusagen. Schwierig kann es zum Beispiel sein, wenn man zu Change-Themen kommunizieren muss, die nie stillstehen. Das heiβt, man hat nie die komplette Momentaufnahme, nie alle Informationen. Damit muss man umgehen könnten, neue Skills entwickeln, um in diesen geringeren Zeitintervallen handeln zu können und die Kommunikation fortschreitend anzupassen.
Was erwarten Sie vom diesjährigen Kongress? Worauf freuen Sie sich besonders?
Ich freue mich auf den Austausch mit einem sehr heterogenen Publikum. Die Kommunikation ist in dieser Hinsicht ja besonders spannend – die Leute kommen aus den verschiedensten Branchen, haben die unterschiedlichsten Hintergründe. Vom großen Konzern bis hin zum Fußballverein ist alles dabei – das finde ich toll, denn es bildet auch meinen eigenen beruflichen Werdegang durch verschiedene Branchen ab. Jede Branche tickt anders, bietet unterschiedliche Perspektiven – das macht die Kommunikation ja auch so spannend.